Seefrachtkisten sind keine Parfumflacons
Marion Walsmann aus dem Europäischen Parlament macht sich beim Paletten- und Kistenproduzenten Holz Neudeck GmbH ein Bild von den möglichen Auswirkungen der geplanten EU-Verpackungsverordnung PPWR für Industrie, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft.
Die Grundidee mag durchaus richtig sein. Reduzierung von Verpackungsmüll wie auch die Wiederverwendung und das Recycling von Verpackungen sind die Gebote der Stunde, weshalb das Europäische Parlament nun auch eine verschärfte Richtlinie – die sogenannte PPWR – auf den Weg bringen möchte. Dass es damit aber ausgerechnet den kohlenstoffspeichernden und nachwachsenden Klimaschützer Holz gefährdet, ist ein Fiasko.
Umso bedeutungsvoller ist es, wenn sich Politikerinnen und Politiker ein Bild vor Ort machen und damit kleinen und mittelständischen Unternehmen als dem Rückgrat der Wirtschaft die Gelegenheit geben, ihre Arbeit näher zu bringen. Für die Holz Neudeck GmbH war es eine große Ehre, mit Marion Walsmann so hochkarätigen Besuch aus Brüssel in ihrem Familienbetrieb zu begrüßen. Bei einem Rundgang durch die traditionsträchtigen Produktionshallen zeigte Geschäftsführer Jörg Neudeck, wie hier Tag für Tag ganz individuelle Holzverpackungen entstehen, deren Leben in erster Linie dem sicheren Transport hochsensibler Güter dient. „Tonnenschwere CNC-gesteuerte Dreh- und Fräsmaschinen benötigen eben nun mal einen massiven Boden für ihren Transport, während empfindliche medizinische Geräte mit ausreichend Schaumstoff gegen Erschütterungen geschützt werden müssen“, erklärte der Unternehmer. Materialsparsamkeit könnte verheerende Folgen nicht nur für die Sicherheit des wertvollen Transportgutes selbst haben, sondern auch für Leib und Leben, wenn man beispielsweise an anspruchsvolle Hochregallager oder hochbelastete Kranverladungen denkt.
Mit der geplanten PPWR gehen daher so einige Herausforderungen für die HPE-Branche einher. Neben den Vorgaben zu Leerräumen oder dem Mindesteinsatz von Recyclingmaterial würde insbesondere das High Quality Recycling das endgültige Aus für die etablierten Ladungsträger aus Holz bedeuten mit spürbaren Folgen für die Verbraucher. Transporte würden teurer, Lieferketten gestört und Supermarktregale könnten leer bleiben. „Niemand möchte ein Corona 2.0 erleben“, bekräftigte Branchenverbandschef Markus Kirschner. Eine aus Holz und Holzwerkstoffen gefertigte Palette könne nicht wieder zu eben dieser recycelt werden, wohl aber zu anderen wertvollen Erzeugnissen. Die Spanplatte nannte er hierfür als ein Paradebeispiel, die in der Möbelindustrie verwendet Kohlenstoff weiterhin über Jahrzehnte bindet und damit der derzeitigen Europäischen Abfallrichtlinie entspricht.
Jedes Industriegut ist anders und stellt ganz eigene Anforderungen an seine Verpackung“, erklärt der Technische Leiter Holger Baumeister. Den Standard dafür setzt in Deutschland der HPE-Verband, die maßgeschneiderte Lösung entwickelt die Holz Neudeck GmbH in Abstimmung mit ihren Kunden. Heute sind es vielleicht mehrere Wärmetauscher für eine innerdeutsche Zwischenlagerung, morgen eine tonnenschwere Maschine, die für ihre beschwerliche Reise über den großen Teich gerüstet werden will, und übermorgen ein Rennwagen, der rechtzeitig für seinen spektakulären Run nach Australien transportiert werden muss.
„Verpacken ist eine echte Wissenschaft“, so zeigte sich Marion Walsmann sichtlich beeindruckt von der Kompetenz der Branche, die häufig in kleinsten Unternehmen, wie der Holz Neudeck GmbH, schlummert. In Zeulenroda-Triebes nach Kundenwunsch gefertigt, in ihre Einzelteile zerlegt beim Kunden angeliefert und vor Ort verpackt, treten die Kisten aus dem Hause Neudeck damals wie heute bestens gerüstet ihre abenteuerlichen Wege an. Jede Holzverpackung ist dabei ein Unikat, die hinsichtlich Größe, Gewicht oder Innenleben ganz eigenen Anforderungen gerecht wird. Doch allesamt verbindet sie die Kompetenz darüber, die wertvolle Fracht gegen das salzige Seewasser, hohen Wellengang und die großen Temperaturschwankungen bei der Reise zu schützen. Verbundfolien dürften daher auf keinen Fall verboten werden, bekräftigte Markus Kirschner und ging damit auf eine weitere Herausforderung der geplanten EU-Verpackungsverordnung für die Branche ein.
„Gute Regelungen können wir nur gemeinsam mit der Praxis finden“, sagte Marion Walsmann und so stand der Firmenbesuch in Zeulenroda-Triebes für die Politikerin, die sich im Rahmen der PPWR auch schon den Sorgen und Nöten anderer Verpackungsbranchen wie beispielsweise aus dem Wellpappengewerk widmete, völlig außer Frage. Die Verpackungen seien so vielfältig wie die Welt selbst. „Notwendige Ausnahmeregelungen werden getroffen werden müssen“, betonte Marion Walsmann und deutete gleichzeitig an, dass bereits Vieles gestrichen oder abgemildert worden sei.